[Lore] Das Zeitalter von Elysium (~1050 bis ~1930)

  • Die Flut war vorüber, das Wasser wich zurück. Demiras Opfer hallte noch immer in den Ley-Linien nach, und die Überlebenden, getragen von ihrem Geist, traten erneut in die Welt hinaus.

    Doch göttliche Führung blieb aus.

    Fast tausend Jahre standen wir allein da – ohne Engel, ohne Stimme aus dem Himmel. Das Göttliche schwieg. Die Fay zogen sich in ihre verborgenen Haine zurück. Und so begann das Zeitalter des Menschen.

    Mit der Zeit verbreiteten sich die Überlebenden und vermehrten sich. Sie überquerten Flüsse, erklommen Höhenzüge, bauten mit Stein, bestellten das Land – und erinnerten sich. Aus ihnen erhoben sich vier große Zivilisationen, jede berührt von den Gaben der Erlöserinnen, aber geformt durch menschlichen Willen.

    Im Westen erhob sich Atlantis wie ein wiedergefundener Traum. Erbaut auf alten Erinnerungen und noch älterer Magie glänzten seine Städte mit wassergeflochtenen Türmen, spiegelnden Straßen und Archiven aus lebendem Kristall. Dort behaupteten Weise, das Schicksal in Spiegelungen zu lesen und das Wetter aus dem Klang zu deuten. Sie vollendeten Kunstfertigkeit und Alchemie. Man sagt, sie erschufen einst eine Nachbildung der Sonne – tief unter dem Meer.

    Im Norden prägten die Hochlande von Thule ein hartes Volk. Stämme, die das Heulen der Wölfe erzählten und die Kriegsgesänge der Ersten Wilden bewahrten. Sie banden sich an Schwüre ihrer Ahnen, ritzten Steine mit Blut und Knochen und webten Magie in Gesang. Ihre Anführer regierten nicht durch Krone, sondern durch Prüfung, und ihre Schamanen sprachen mit Geistern, die noch aus Meirotheas Zeit stammten. In ihrem Trotz lag Stärke. In ihrer Einigkeit: Weisheit.

    Im Osten erhob sich Helios, ein Reich des Lichts und der Gesetze. Sieben goldene Städte, jede regiert von einem Rat aus Philosophen-Königen, glänzten unter mächtigen Pyramiden aus Sonnenstein. Ihr Wissen rivalisierte Atlantis, doch ihr Stolz war tiefer. Die Priester von Helios hielten sich für Hüter göttlicher Erinnerung. Sie beugten das Licht ihrem Willen und behaupteten, ihre Schatten seien rein.

    Doch es war Karpathien, das am trügerischsten glänzte.

    Im Herzen der alten Welt gelegen, war Karpathien ein Reich aus Gärten und Spiegeln, Marmor und Weihrauch. Seine Herrscher sprachen von Frieden und Schönheit, doch hinter den Schleiern stand ein Fürst der Hölle, gehüllt in Glanz, umhüllt von Charme. Er flüsterte von Einheit, von Reinheit, vom Aufstieg. Er errichtete einen Thron, der die Sterne berührte – und die Menschen folgten ihm bereitwillig.

    Jede der Vier trug Größe in sich. Und jede – einen Makel.

    Atlantis, in seinem Durst nach Wissen, vergaß die Demut.
    Thule, in seiner Ehrfurcht vor Stärke, säte den Keim ewiger Vergeltung.
    Helios, in seinem Kult der Ordnung, verwarf das Mitgefühl.
    Karpathien, in seinem Streben nach Vollkommenheit, setzte dem Stolz eine Krone auf.

    Die Sünden kehrten zurück – nicht mehr als Monster, sondern als Gesetze. Als Architektur. Als Ritus.

    Und je tiefer diese Zivilisationen ihre Wurzeln gruben, desto mehr öffneten sie Risse in den Toren unter der Welt. Vergessene Ruinen regten sich. Alte Knochen erwachten. Und die Hölle, nicht länger mit Flüstern zufrieden, begann wieder zu atmen.

    Die Welt rüstete sich für den Untergang.
    Und er kam.

    —Thelonius der Schreiber


    Credits, paintings:
    The Elysium Age - Thomas Cole, The Course of Empire, Destruction, 1836

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